Haltung und Atmung – öffne deinen Körper für die Energie des Lebens

Im yogischen Verständnis gehen wir davon aus, dass der Atem der Träger der Lebensenergie ist, des Pranas. Der Körper nimmt diese Energie auf und sie wird über die zahlreichen Energiekanäle verteilt.
Je besser sich die Atemwelle im Körper ausbreiten kann, desto freier fliesst Prana. Eine aufrechte und unangestrengte Haltung ist dafür die beste Voraussetzung..

 

In meiner Praxis lege ich sehr viel Wert auf die Vermittlung einer bewussten Haltung in allen Situationen. Das verhindert die Entstehung von Störungen in der Muskelbalance und du wirst weniger Verkrampfungen entwickeln. Daneben signalisierst du dir und deiner Umgebung: hier bin ich, wach, präsent und ich habe Zugriff auf alle meine Ressourcen! Auch wenn du dich gerade nicht so fühlst, kannst du mit deiner Haltung diesen Zustand herbeiführen. Das nennt man auch Embodiment und das heisst, dass eine Beeinflussung unseres Bewusstseins über den Körper möglich ist.

 

Was ist nun für eine gute Haltung zu berücksichtigen?
Im Sitzen auf einem Stuhl beachte, dass deine Füsse flach auf dem Boden stehen, Knie und Hüftgelenke sind zu etwa 90 Grad gewinkelt. Dein Becken ist aufgerichtet, das heisst, du belastest es etwas vor deinen Sitzbeinhöckern. Spanne deinen Beckenboden minimal an und visualisiere Luftblasen, die aus der Mitte deines Beckens vor deiner Wirbelsäule entlang bis zu deinem Scheitel hinaufsteigen und dort austreten. Lass dich von dieser Aufwärtsbewegung aufrichten. Nun stelle dir gleichzeitig vor, wie Wasser über deinen ganzen Körper hinabfliesst. Diese Abwärtsbewegung unterstützt die Aufrichtung von deiner Körperschale aus und macht deine Haltung stabiler. Nimm beide Bewegungen, die nach oben und die nach unten, gleichzeitig wahr.
Lass nun deine Schultern sinken und zu beiden Seiten breit werden, visualisiere, wie sich deine Schlüsselbeine zur Seite verlängern. Verlängere deinen Nacken und lass dein Kinn zu deinem Hals zurückweichen, ohne dass du den Kopf neigst. Die Faustregel dafür ist ein zwei Finger breiter Abstand vom Kinn zum Hals. Platziere deine Hände mit den Handflächen auf deinen Oberschenkeln.
Nimm die Atembewegung wahr, das Heben und Senken der Bauchdecke.
Dies ist nun deine volle Grösse im Sitzen.

 

Viele Menschen machen sich Sorgen, dass sie so im hohlen Kreuz sitzen. Bedenke aber, dass die normale Form der Wirbelsäule die Doppel-S-Form ist und eine Hohlform in der Lende normal ist. Es ist nur ungewohnt, sich in dieser Aufrichtung wahrzunehmen.

 

Spüre einen Moment in dich hinein und nimm wahr, was neu ist. Ist es dir unangenehm, so gerade zu sitzen und dich in deiner vollen Grösse wahrzunehmen? Hast du vielleicht eine abwertende Botschaft verinnerlicht, z. B. dass eine gerade Haltung mit Arroganz zu tun hat? Oder fühlst du bereits, dass sich ein Gefühl von Weite einstellt?

 

Für die meisten Menschen ist es zu Beginn anstrengend, diese Haltung über lange Zeit aufrechtzuerhalten. Die Muskeln sind aufgrund der jahrelang eingenommenen krummen Haltung verkürzt und wollen dich in die alte Position zurückziehen.
Atme tief durch und spüre, wo du die meiste Spannung wahrnimmst. Dort brauchst du Dehnung. Im Idealfall ist der Bauch lang und frei, die Rippen auf der Seite fächern sich auf und das Brustbein hebt sich mit den Achselhöhlen nach vorne oben. Achte darauf, dass du mit der Ausatmung deine Aufrichtung nicht verlierst, sondern sogar noch mehr wächst!

 

Für das Dehnen sind Yogapositionen (Asanas) das Mittel der Wahl. Ihr erstes Ziel war ja ursprünglich, Raum für Atmung und damit für einen freien Pranafluss zu ermöglichen.

 

Eine Serie Sonnengrüsse (Surya Namaskar) z. B. regt den Energiefluss im ganzen Körper an. Anschliessend kannst du eine Lagerung in Rückenlage über ein längliches Kissen einnehmen, die Arme zur Seite ausstrecken und die Beine abspreizen. Atme eine Weile in dieser Dehnposition. Mit der Einatmung führst du die Atembewegung in die gespannten Bereiche und mit der Ausatmung entspannst du noch weiter in die Dehnung.

 

Eine andere Übung ist die Drehdehnlage in Rückenlage. Mit ihr  erreichst du auch eine sehr schöne Dehnung der Schultern, Flanken und Hüften.
Gerne zeige ich dir bei mir vor Ort in Oerlikon an dich angepasste Asanas.

 

Anschliessend an die Dehnsequenz nimm wieder eine Sitzhaltung ein, entweder auf dem Hocker wie vorher oder auf dem Boden auf einem Kissen. Atme tief und nimm die neu erreichte Weite in deinem Rumpf wahr. Vielleicht spürst du auch, dass mehr Tiefe in der Atembewegung möglich ist.

 

Die Atmung kannst du zwar beeinflussen und mit gezielten Atemtechniken auch deinen emotionalen Zustand regulieren, doch sie unterliegt im Grund einem autonomen Rhythmus.

 

Wenn du deine Atmung ohne einzugreifen beobachtest, bemerkst du, wie Einatmung abläuft, in Ausatmung übergeht und dann nach einer kleinen Pause die Einatmung erneut einsetzt.

 

Dieser Rhythmus hat seinen Ursprung in einem Puls, der allem Leben zugrunde liegt. Im Yoga ist dies das OM. Es ist die kreative, göttliche Energie, der Urlaut. Aus seiner Schwingung ist alles Leben, alle Materie entstanden (ja, auch Materie lebt und hat nach schamanischem Verständnis eine Form von Bewusstsein).

 

Vor diesem Hintergrund kannst du den Atem als Bindeglied visualisieren zwischen dir und dem gleichen Puls, der auch in jeder anderen Lebensform schlägt. Er erinnert uns immer wieder daran, dass alles mit allem verbunden ist. Damit erhält der Atem eine heilige Dimension, er wird zu etwas ungemein Wertvollem, das es zu kultivieren gilt.

 

Ich lade dich ein, deinen Körper bewusst für das Leben zu öffnen. Deine Haltung und dein Atem unterstützen dich dabei.